Technologie und Innovation
 Die Basis für digitale, dezentrale Studien 

Die klinische Forschung durchläuft aktuell einen Paradigmenwandel, der durch Digitalisierung und den Einsatz innovativer Technologien geprägt ist. Dezentrale klinische Studien (DCTs) bieten eine flexible und effiziente Möglichkeit, relevante Gesundheitsdaten zu erheben und gleichzeitig die Teilnehmenden in den Mittelpunkt des Forschungsprozesses zu stellen. Diese Studienform nutzt digitale Plattformen und tragbare Technologien, um die Datenerhebung zu optimieren und eine kontinuierliche Kommunikation zwischen Forschenden und Teilnehmenden zu gewährleisten. Die erfolgreiche Durchführung dezentraler klinischer Studien hängt maßgeblich von einer robusten und skalierbaren technologischen Infrastruktur ab, die auf digitalen Plattformen und innovativen Erfassungsgeräten basiert.  

Tragbare Geräte und Wearables 

Wearables wie Smartwatches, tragbare EKG-Monitore und Biosensoren sind essenzielle Instrumente, um kontinuierliche und objektive Gesundheitsdaten direkt am Körper der Teilnehmenden zu erfassen. Die Apple Heart Study, die über Apple Watches Herzfrequenzdaten sammelte, ist ein wegweisendes Beispiel für die Nutzung von Wearables in einer dezentralen Studie. In dieser Studie wurden mehr als 400.000 Teilnehmende erfolgreich über digitale Kanäle rekrutiert, und es konnten wertvolle Erkenntnisse zur Früherkennung von Vorhofflimmern gewonnen werden (Perez et al., 2019). Die Kombination von Tragbarkeit und Präzision dieser Geräte hat das Potenzial, eine Vielzahl physiologischer Parameter langfristig und in Echtzeit zu erfassen.  

Mobile Health-Apps und Plattformen 

Mobile Gesundheits-Apps und Plattformen bieten eine direkte Schnittstelle zwischen Studienteilnehmenden und Forschenden. Sie ermöglichen eine zuverlässige, dezentrale Datenerhebung und Kommunikation durch Funktionen wie elektronische Tagebücher, Fragebögen und personalisierte Erinnerungen.  

Volpi et al. (2021) zeigen, dass der Einsatz mobiler Gesundheitsanwendungen die Teilnehmerbindung erheblich steigern kann. In ihrer Untersuchung zur Einhaltung von Behandlungsvorgaben bei Bluthochdruckpatienten konnte ein Anstieg der Protokollerfüllung um 20 % festgestellt werden, da die Teilnehmenden ihre Symptome und Medikationspläne direkt über die App dokumentierten. Dies deutet darauf hin, dass mobile Apps nicht nur die Datenerhebung erleichtern, sondern auch die Qualität der gesammelten Informationen verbessern, was zu präziseren und zuverlässigeren Studienergebnissen führt. 

Zusätzlich betonen andere Forschungsergebnisse, dass die Echtzeitüberwachung von Gesundheitsdaten und die Möglichkeit zur direkten Kommunikation mit Forschenden den Prozess der klinischen Studien erheblich beschleunigen können. Diese Fortschritte fördern nicht nur die Effizienz der Forschung.  

Telemedizinische Anwendungen 

Telemedizinische Technologien erweitern die Möglichkeiten zur Kommunikation und zum Remote-Monitoring, was vor allem bei Patient:innen mit eingeschränkter Mobilität entscheidend ist. Aufklärungsgespräche und der Einschluss von Studienteilnehmenden in die klinischen Studien sind auch in Form von Telekonsultationen möglich. Zudem können Forschende und medizinisches Fachpersonal durch diese Technologien mit den Studienteilnehmenden in Verbindung bleiben, Diagnosen stellen und erforderliche Maßnahmen anpassen. So hat die Integration von Telemedizin und Remote Patient Monitoring die Gesundheitsversorgung erheblich verändert.  

In einer umfassenden Studie von Vudathaneni und Choudhury (2024), wurden signifikante Verbesserungen der Patientengesundheit dokumentiert, die durch den Einsatz telemedizinischer Technologien erreicht wurden. Diese Technologien ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung und Interaktion zwischen Patient:innen und medizinischem Fachpersonal, was nicht nur die Gesundheitskosten senkt, sondern auch die Patientenzufriedenheit erhöht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine stärkere Bindung zwischen Patient:innen und Ärzt.innen entsteht, da regelmäßige Updates und Feedback zu einem proaktiven Gesundheitsmanagement führen. Diese Entwicklungen sind besonders vorteilhaft für Patient:innen mit chronischen Erkrankungen, die von einem höheren Maß an Unterstützung und Kommunikation profitieren können. 

Formen zur Datenerfassung und -analyse 

Zentrale digitale Plattformen zur Aggregation und Analyse der erhobenen Daten bieten einen Überblick über alle Interaktionen und Aktivitäten der Teilnehmenden und sind eine wesentliche Komponente dezentraler Studien. Diese Plattformen ermöglichen eine sofortige Datenintegration und statistische Auswertung, was die Studienleitung bei der Erkennung von Trends und der Entscheidungsfindung unterstützt. Nach Angaben von Medidata hat der Einsatz solcher Plattformen in dezentralen Studien zu einer Verringerung der durchschnittlichen Datenerhebungszeit um bis zu 30 % geführt (Medidata Solutions, 2021). 

Praxisbeispiele und Fallstudien erfolgreicher dezentraler Studien 

Beispiel 1: Dezentrale Studie zur Wirksamkeit von HelloBetter Stress und Burnout 

Ein prägnantes Beispiel für eine digitale dezentrale Studie im DiGA-Bereich stellt die Untersuchung der App „HelloBetter Stress und Burnout“ dar. Diese Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) basiert auf kognitiver Verhaltenstherapie und adressiert die Prävention und Behandlung von Stress- sowie Burnout-Symptomen. In einer randomisiert-kontrollierten, vollständig dezentralen Studie wurden Teilnehmende digital rekrutiert und ausschließlich über die App betreut. Diese ermöglichte es den Proband:innen, kontinuierlich ihren Symptomverlauf und Fortschritte selbst zu dokumentieren, wodurch relevante Daten automatisiert und ohne Klinikbesuch erhoben wurden. 

Die Studienergebnisse belegen eine signifikante Verbesserung der Stressbewältigung und eine Reduktion der Burnout-Symptome, wodurch der Nutzen dezentraler Studien für digitale Interventionen verdeutlicht wird. Dieses Studiendesign zeigt zudem, dass sich durch digitale Methoden eine höhere Diversität und Reichweite bei den Teilnehmenden erreichen lässt, was die Aussagekraft der Ergebnisse in der psychologischen Forschung erhöht (Buntrock et al, 2021). 

Fallbeispiel 2: Digitale dezentrale Studie von Selfapy zur Behandlung von Depression 

Die Selfapy-Studie bei Depression ist ein exemplarisches Beispiel für eine digitale und dezentrale klinische Studie im Bereich der psychischen Gesundheit. Sie untersuchte die Wirksamkeit eines digitalen Selbsthilfeprogramms bei Patienten mit unipolarer Depression. Ziel der Studie war es, die Effekte eines begleiteten vs. unbegleiteten Zugangs zu einer Online-Intervention zu vergleichen. In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurden 400 Teilnehmende mit leichten bis mittelschweren depressiven Symptomen über 12 Wochen hinweg verfolgt. Die Intervention bestand aus einem vollständig digitalen Programm, das entweder durch wöchentliche telefonische Unterstützung von Psycholog:innen begleitet oder ohne therapeutische Begleitung durchgeführt wurde. 

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass auch der unbegleitete digitale Ansatz signifikante Verbesserungen der Symptomatik bewirken kann, was die Bedeutung digitaler, dezentraler Interventionen für die psychische Gesundheitsversorgung hervorhebt, und ihre Flexibilität unterstreicht (Krämer & Köhler, 2021). 

 Das transformative Potenzial digitaler und dezentraler Studien 

DCTs repräsentieren eine wegweisende Entwicklung in der modernen Forschung. Durch den Einsatz innovativer Technologien, wie tragbare Geräte, mobile Gesundheits-Apps und Telemedizin, ermöglichen DCTs eine flexiblere und effizientere Datenerhebung, die nicht nur den Aufwand für Teilnehmende reduziert, sondern auch eine breitere und diversere Teilnehmerbasis erreicht. Die Selfapy-Studie und die HelloBetter-Studie demonstrieren eindrucksvoll, wie digitale Interventionen bei psychischen Erkrankungen wirksam sein können, ohne auf traditionelle klinische Strukturen angewiesen zu sein. Diese Studien belegen, dass digitale, dezentrale Ansätze nicht nur eine höhere Reichweite und Teilnahme ermöglichen, sondern auch signifikante klinische Verbesserungen bei den Teilnehmenden erzielen können. Die Zukunft der klinischen Forschung liegt zweifellos in der intelligenten Kombination von Technologie und Flexibilität, die digitale dezentrale Studien bieten. 

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